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Passau höchstpersönlich: Schneidermeisterin Heidi Höller

Zwischen feinen Stoffen und Nervenkitzel

Ihre Finger streichen an der Perlenkette entlang, ihr konzentrierter Blick fixiert die Brosche in der Mitte. Dann wandert er hoch. Heidi Höller und Nadine Germann schauen sich in die Augen, beide lächeln.

 

Die eine ist Chefin der Passauer Schneiderei am Landestheater Niederbayern. Die andere, ihr "Model", ist Sängerin und Schauspielerin. Die beiden haben sich zur Anprobe für die Rat-Pack-Revue "Coleman‘s Twelve" getroffen. Sie stehen sich gegenüber zwischen Anziehpuppen und Nähmaschinen, zwischen Stoffbahnen und Kleiderstangen im Atelier im obersten Stockwerk des Fürstbischöflichen Opernhauses. Eine vierreihige Perlenkette mit markanter Brosche schmückt das schwarze Kleid mit dem Glockenrock, das Nadine Germann gerade angezogen hat. Heidi Höller fehlt noch etwas. Sie greift zum Regal an der Wand hinter sich und nimmt eine Schatulle heraus. Perlen in allen Größen und Formen scheppern darin. Sie lässt sie sanft vor sich auf die Tischplatte kullern. Mit geübten Fingern sucht sie zwei gleiche Ohrringe heraus: "Die müssten passen."

 

Heidi Höller arbeitet seit 32 Jahren in der Kostümabteilung des Landestheaters Niederbayern in Passau. 1991 fing die Schneidermeisterin hier als Aushilfe an. Drei Jahre später wurde sie Leiterin. Mit ihrem Team stattet die 56-Jährige Schauspieler und Sänger in den Bereichen Oper und Operette aus – vom Statisten bis zur Hauptdarstellerin, von Kopf bis Fuß. Regisseur und Kostümbildner erstellen das Konzept, Heidi Höller und ihre Kolleginnen und Kollegen setzen es um.

 

Das Atelier ist bis unters Dach gefüllt mit Stücken, die auf den Bühnen in Passau, Straubing und Landshut getragen werden. An einer Wand hängen fertig genähte Hemden, Röcke und Mäntel an langen Kleiderstangen. An der anderen stapeln sich beschriftete Boxen: "Mieder", "Leggings", "Spitzenreste". Unzählige Stoffbahnen sind farblich sortiert in einem Nebenraum untergebracht. "Das ist aber noch lange nicht unser gesamter Fundus", erzählt Heidi Höller. Der Rest befindet sich im Außenlager am Stadtrand. Kostüme oder Teile davon werden nach Möglichkeit wiederverwendet.

 

Schauspielerin Nadine Germann hat jetzt ein knallrotes, knielanges Kleid angezogen. "Lass mich mal schauen, wie das hier sitzt", sagt Heidi Höller und tastet prüfend über die Stickereien an der Taille. Jedes Detail ist wichtig, damit Nadine Germann problemlos über die Bühne wirbeln kann. "Unsere Künstler müssen atmen, Kraft in Bewegung und Stimme legen, müssen Beinfreiheit haben", erklärt sie. Ob das auch in der Praxis funktioniert, sieht Heidi Höller bei der Klavierhauptprobe während der Premierenwoche. "Es kann schon sein, dass man dann noch etwas ändert, zum Beispiel normale Knöpfe gegen Drückknöpfe tauscht", sagt sie.

 

Discokugel-Outfit und ein brennender Anzug

 

"Über 200 Produktionen", schätzt sie, hat Heidi Höller in drei Jahrzehnten betreut. Ihr fallen zig Höhepunkte dieser Jahre ein. Sie erzählt vom Aufwand für ein Discokugel-Kostüm: "Das war ein schwarzer hautenger Ganzkörperanzug, den wir komplett mit Spiegelfolie-Plättchen beklebt haben." Sie erzählt von der Menge an Gewändern bei der Operette "Im Weißen Rössl", bei der allein die vielen Chormitglieder und Statisten sich drei Mal umziehen. Mal Tracht, mal Tellerröcke, mal Baum-Kostüm: "Das war eine Menge, die war schon enorm", sagt Heidi Höller.

 

Und sie erzählt vom Nervenkitzel. Bei "Die Walküre", Teil des Opernzyklus "Ring des Nibelungen", geht eine Figur in lodernden Flammen auf. Die Herausforderung: ein Kostüm, das brennt, und ein Darsteller, der unversehrt bleibt. "Ich habe viel recherchiert, über die Anzüge zum Beispiel, die Formel-1-Fahrer tragen. Ich habe mit unserem Pyrotechniker gesprochen. Und ich bin zur Glockengießerei gefahren", erzählt Heidi Höller. Dort sind die Mitarbeiter extrem hohen Temperaturen ausgesetzt, tragen Spezialanzüge. "So einen durfte ich ausleihen. Wir haben Brennpaste draufgeschmiert und ausprobiert", erzählt sie. Es klappte. Der Anzug brannte bei jeder einzelnen Aufführung. Der Träger ist wohlauf.

 

Fünf Outfits hat Nadine Germann mittlerweile unter Heidi Höllers wachsamen Augen im Atelier anprobiert. Beim bodenlangen türkisen Kleid staunen alle im Raum besonders. Türkiser Kreppstoff, verziert mit einer Borte aus Pailletten und Steinchen, "handbestickt", wie Heidi Höller erklärt. Dazu ein gleichfarbiger Schal. "Das steht dir hervorragend", sagt sie, "versuch mal darin zu Swingen." Die Schauspielerin macht ein paar Tanzschritte, beide nicken sich lächelnd zu: Passt perfekt.

 

Hier bewundert man die Kostüme von Heidi Höller und ihrem Team auf der Bühne:  www.landestheater-niederbayern.de

 

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